
Die Berliner Behörden planen, vier ausländische Personen aus Deutschland auszuweisen, die laut Polizei an gewalttätigen Ausschreitungen in Berlin beteiligt waren. Drei der Betroffenen sind EU-Bürger aus Irland und Polen, während die vierte Person die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt. Der Bereich Interceptions war der Erste, der über die Ausweisungspläne informiert wurde.
Die vier Personen erhielten Benachrichtigungen vom Einwanderungsbüro des Landes Berlin und wurden aufgefordert, das Land zu verlassen. Diese Maßnahme wurde vom Innenministerium des Berliner Senats, der Deutschen Welle, bestätigt. Die Benachrichtigungen beziehen sich auf Vorfälle an der Freien Universität Berlin am 17.10.2024.»
An diesem Tag versammelte sich eine Gruppe von Menschen und war bereit, in ein Universitätsgebäude einzudringen. «Dabei entstanden erhebliche Schäden am Eigentum aufgrund von Graffiti im Zusammenhang mit dem Israel-Palästina-Konflikt und anderen Verbrechen», erklärte das Sekretariat des Senats.
Auf Fotos, die nach dem Vorfall veröffentlicht wurden und das Gebäude zeigen, sind die auf den Wänden geschriebenen Phrasen zu sehen, wie zum Beispiel «Vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein» und «Freies Gaza». Es sind auch rote Dreiecke zu erkennen, die von der Hamas in ihrer Propaganda verwendet werden, um Ziele zu kennzeichnen. Das deutsche Innenministerium betrachtet das rote Dreieck als verbotenes Symbol.
Um die drei EU-Bürger auszuschließen, wurde ihnen das Recht auf Freizügigkeit in der EU entzogen, das es ihnen ermöglicht, in Deutschland zu leben. Dies wurde von Anwalt Alexander Gorski gegenüber DW bestätigt. «Diese Anordnungen wurden aufgrund mehrerer Strafanzeigen gegen unsere Mandanten erlassen. Es gab jedoch keine Verurteilungen», erklärte Gorski, der zwei der vier Betroffenen vertritt. Er gab an, dass er nicht einmal Zugang zu den Akten des Falls an der Hochschule erhalten habe.
Proteste führen zu Spannungen
Es wird behauptet, dass die vier Personen an anderen Protestaktionen beteiligt waren. Seit Beginn des Konflikts zwischen Israel und Gaza nach dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 gab es weltweit, auch in Deutschland, Proteste. Viele Demonstranten versuchen, das Vorgehen der israelischen Armee anzuprangern und das Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen sichtbar zu machen.
Aktivisten kritisieren die Tatsache, dass sie insbesondere in Deutschland übermäßig hart behandelt werden und dass ihr Recht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt ist. Der Aktivist und Schriftsteller Yasmeen Daher beschwerte sich in einem Interview mit der deutschen Zeitung Diietagesseitung über die Verallgemeinerung anti-semitischer Demonstranten durch viele Medien.
Auch Amnesty International kritisierte die Maßnahmen der deutschen Behörden. Die Betrachtung des Mottos «Vom Fluss bis zum Meer» und des roten Dreiecks sowie die damit verbundenen kriminellen Konsequenzen seien übertrieben. Laut Amnesty International handelt es sich bei beiden Symbolen um Ausdrücke der Solidarität mit Palästina und stehen nicht direkt im Zusammenhang mit der Hamas.
Während die deutsche Politik dieses Motto als Bedrohung für die Existenz Israels interpretiert, haben mehrere Gerichte entschieden, dass es sich um einen friedlichen Ausdruck von Solidarität und dem Wunsch nach Gleichberechtigung in der Region handeln kann.
Die Behörden rechtfertigen ihre Maßnahmen mit dem Ziel, den «Anti-Semitismus im Zusammenhang mit Israel» zu bekämpfen. Die Senatorin des Inneren in Berlin, Iris Spranger (SPD), warnt vor der «Gefahr einer weiteren Radikalisierung» einer kleinen gewalttätigen Gruppe unter den protestierenden Aktivisten.
Die Freie Universität Berlin spricht von einem «gewaltsamen Angriff»
In Bezug auf den Vorfall am 17. Oktober beschrieb die Freie Universität Berlin (FU) ihn als «gewaltsamen Angriff». Der Vorfall sorgte auch außerhalb Berlins für großes Aufsehen. In einer öffentlichen Erklärung hieß es: «Diese Personen handelten mit extremer Gewalt, griffen das Personal physisch an und bedrohten es verbal.»
Die Polizei konnte die vier Personen festnehmen, die versucht hatten, das Gebäude zu besetzen, und sie erhielten Beschwerden wegen Störung der öffentlichen Ordnung und weiterer Vergehen.
Der Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), verurteilte den Vorfall scharf: «Der Angriff auf die Freie Universität durch mutmaßliche Gewalttäter zeigt erneut, dass sie nicht an Dialog interessiert sind, sondern nur Zerstörung, Gewalt und Hass kennen.» Der Studentenrat veröffentlichte bald darauf eine eigene Version der Ereignisse und kritisierte das mangelnde Bemühen, mit der Polizei zu kommunizieren und übermäßige Gewalt anzuwenden.
Bisher konnte die Beteiligung der vier Betroffenen an den Ereignissen dieses Tages nicht gerichtlich nachgewiesen werden. In einem Fall gab es sogar eine Geldstrafe. Ein Angeklagter wurde verurteilt, weil er einen «faschistischen Polizisten» genannt hatte. In Deutschland ist die Beleidigung von Polizisten ein strafbares Vergehen.
Wann können EU-Bürger ausgewiesen werden?
Warum wurden dann diejenigen, die an den Protesten beteiligt waren, ausgewiesen? Laut Anwalt Gorski werden seine Mandanten beschuldigt, «die Hamas indirekt zu unterstützen und Antisemitismus zu verbreiten». Trotz Interceptions gibt es bisher keine konkreten Beweise. Die Ausweisungsverfügung scheint in diesem beispiellosen Fall auf dem «Interesse des deutschen Staates» zu beruhen, einem politischen Konzept, das die Sicherheit und Existenz Israels gewährleistet und zu den grundlegenden Aufgaben des deutschen Staates gehört. Dieses Konzept ist jedoch rechtlich nicht verbindlich oder in der Verfassung verankert.
Die vier Betroffenen haben Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen die Ausweisungsverfügungen erhoben, die am 21. April enden. Derzeit halten sie sich noch in Berlin auf.
Freizügigkeit als grundlegendes Recht in der EU
In der Europäischen Union hat jeder Bürger das Recht, in einem anderen Land zu leben. Diese Freizügigkeit bietet den EU-Bürgern besonderen Schutz. Sie kann jedoch eingeschränkt werden, wenn im Gastland eine «ausreichend schwerwiegende Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit» besteht. Entscheidend ist dabei das individuelle Verhalten.
Nach EU-Recht sind die Kriterien für eine Ausweisung streng. Dies spiegelt sich auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wider, der die Gründe für einen Aufenthalt restriktiv auslegt, wie der internationale Professor Matthias Goldmann von der EBS Universität in seinem Podcast In Europa erklärt. «Eine strafrechtliche Verurteilung allein reicht nicht aus.» Laut Anwalt Gorski wurden die Betroffenen bisher nicht verurteilt.
Ist die Ausweisung verhältnismäßig?
Es scheint Unstimmigkeiten in den Berliner Behörden bezüglich der Ausweisungen zu geben. Laut Täglicher Spiegel äußerten hochrangige Beamte des Einwanderungsbüros Zweifel und argumentierten, dass die Anschuldigungen den Entzug der Freizügigkeit nicht rechtfertigen.
Anwalt Gorski stimmt dem zu: Er betrachtet die Ausweisungen als «schwerwiegende rechtswidrige Handlung» und glaubt nicht, dass sie vor gerichtlicher Überprüfung bestehen werden. Er ist der Ansicht, dass in diesem Fall das Einwanderungsgesetz «als Instrument zur Unterdrückung sozialer Bewegungen, insbesondere der Pro-Palästina-Bewegung», verwendet wird.
Dies steht auch im Einklang mit den Vereinigten Staaten, wo derzeit Visa für ausländische Studenten widerrufen werden, die an angemessenen Maßnahmen teilgenommen haben. Für Kontroversen sorgte hierbei der Fall eines Arztes, der in der Nähe von Boston auf öffentlichen Straßen verhaftet wurde, nachdem er in einer Studentenzeitung zitiert wurde.
«Kampf gegen bestimmte politische Meinungen»
Der Anwalt Matthias Goldmann setzt die Ausweisungen in einen weiteren Kontext und kritisiert die Landesregierung von Berlin: «Diese Regierung ist eindeutig die problematischste in Deutschland, wenn es um die Unterdrückung der Solidarität mit Palästina geht. Seiner Meinung nach handelt es sich auch um einen «Kampf gegen bestimmte politische Meinungen» im Kontext des Krieges in Gaza und des Konflikts im Nahen Osten. Das Argument des Antisemitismus werde als Vorwand genutzt, um die Mechanismen zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit zu schwächen, sagt er.
(GG/HP)