
Der neue deutsche Bundestag wählte Julia Klöckner, den christdemokratischen Parlamentarier der CDU, mit 382 von 622 Stimmen zum neuen Präsidenten.
Klöckner tritt die Nachfolge des Sozialdemokraten Bärbel Bas (SPD-Partei) an, der das Parlament im Jahr 2021 leitete. Nach der Abstimmung erklärte Klöckner: «Ich habe mich fest entschlossen, diese Aufgabe mit Unparteilichkeit, Gelassenheit, Festigkeit und gleichzeitig im Einklang mit allen zu erfüllen.»
Aufgrund der herrschenden Atmosphäre im Parlament betonte Klöckner, dass er besonderen Wert auf die Einhaltung der Anstandsregeln legen möchte. Die Anzahl der Rufe nach Ordnung im Parlament aufgrund von Beleidigungen und Verleumdungen hat in letzter Zeit erheblich zugenommen, insbesondere seit die Alternative für Deutschland (AfD), teilweise als rechtsextrem angesehen, im Parlament vertreten ist.
Die zweitwichtigste politische Position
Die Präsidentschaft des Bundestags ist nach dem Bundespräsidenten und vor dem Kanzler die zweithöchste Position in Deutschland. Obwohl es keine formellen Gesetze oder Regulierungen dazu gibt, liegt die Position immer bei der stärksten Fraktion, in diesem Fall der CDU- und CSU-Demokraten.
Als Präsident wird Klöckner die Plenarsitzungen koordinieren und interne Befugnisse gemäß den parlamentarischen Vorschriften ausüben. Zudem müssen alle Gesetze und Vorschläge durch das Parlament gehen.
Zusätzlich repräsentiert der Präsident das gesamte Parlament beispielsweise bei Gedenkfeiern wie der jährlichen Veranstaltung am 27. Januar zur Erinnerung an den Holocaust. Er kann auch bei Besuchen ausländischer Regierungschefs anwesend sein.
Es ist eine ungeschriebene Regel, dass der Präsident die Rechte und Pflichten aller Parteien respektieren und den Stil politischer Debatten in den Plenarsitzungen wahren muss. Daher ist eine umfangreiche parlamentarische Erfahrung erforderlich.
War eine Konservative
Julia Klöckner, 52, ist eine entschlossene Konservative, die gerne in öffentlichen Debatten engagiert ist. Im Januar dieses Jahres, vor den Neuwahlen im Bundestag, sorgte sie mit der Aussage auf Instagram für Aufsehen: «Sie müssen nicht AfD wählen, um das zu erreichen, was Sie wollen. Es gibt eine demokratische Alternative, die CDU.»
Kritiker betrachteten dies als Verharmlosung des AfD-Parteiprogramms, das teilweise als rechtsextrem gilt. Während der Flüchtlingskrise 2015, als viele Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak nach Deutschland kamen, forderte Klöckner, dass Flüchtlinge gesetzlich verpflichtet sind, Sprachkurse zu besuchen und das Gesetz sowie die Verfassung zu respektieren.
Eine berufliche Laufbahn mit Höhen und Tiefen
Julia Klöckner ist eine ausgebildete Journalistin und die Tochter eines angesehenen Winzers. Im Jahr 1995 wurde sie zur Weinkönigin gewählt und war in über 200 öffentlichen Veranstaltungen pro Jahr aktiv.
Sie war viele Jahre lang die regionale Vorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz und von 2018 bis 2021 Bundesministerin für Ernährung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel. In dieser Zeit wurde Klöckner von Umweltorganisationen kritisiert, da sie zu nah an der Lebensmittelindustrie stehen sollte.
Ihre politische Karriere war nicht immer frei von Rückschlägen: In den Jahren 2011 und 2016 scheiterte sie zweimal in dem Versuch, Ministerpräsidentin ihrer Partei in ihrem Heimatstaat Rheinland-Pfalz zu werden.
Zuversichtlich auf möglichen Kanzler
Julia Klöckner gilt als Vertraute des möglichen neuen Kanzlers Friedrich Merz.
Bei ihrer Nominierung sagte sie: «Das Parlament ist das Herz unserer Demokratie, und die Aufgabe des Präsidenten wird es sein, dieses Herz zu schützen.» Klöckner ist die vierte Frau, die die Position des Präsidenten in der Geschichte des Bundestags innehat.
(RMR/MS)